Papst Franziskus hat zum Heiligen Jahr ein Schreiben verfasst. Es trägt die Überschrift : 
„Spes, non confundit“ – Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen.
 Im folgenden lesen Sie einige Auszüge aus diesem Schreiben:
 

Alle hoffen. Im Herzen eines jeden Menschen lebt die Hoffnung als Wunsch und Erwartung des Guten, auch wenn er nicht weiß, was das Morgen bringen wird.       (1)

Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns
gegeben ist“ (Röm 5,1–2.5).
  (2)

Es ist nämlich der Heilige Geist, der mit seiner beständigen Gegenwart in der pilgernden Kirche das Licht der Hoffnung in den Gläubigen verbreitet. Er lässt es brennen wie eine Fackel, die nie erlischt, um unserem Leben Halt und Kraft zu geben. Tatsächlich täuscht die christliche Hoffnung nicht und sie enttäuscht nicht, denn sie gründet sich auf die Gewissheit, dass nichts und niemand uns jemals von der
göttlichen Liebe trennen kann.
       (3)

Wir haben uns mittlerweile daran gewöhnt, alles sofort zu wollen, in einer Welt, in der die Eile eine Konstante geworden ist. Man hat keine Zeit mehr, sich zu treffen, und selbst in den Familien wird es oft schwierig, zusammenzukommen und in Ruhe miteinander zu reden. Die Geduld ist durch die Eile vertrieben worden und das fügt den Menschen großen Schaden zu. In der Folge haben Ungeduld, Nervosität und manchmal auch grundlose Gewalt Einzug gehalten, die zu Unzufriedenheit und Verschlossenheit führen.      (4)

Es ist kein Zufall, dass das Pilgern ein wesentliches Element eines jeden Heiligen Jahres darstellt. Sich auf einen Weg zu begeben, ist typisch für diejenigen, die sich auf die Suche nach dem Sinn des Lebens machen. Eine Fußwallfahrt trägt sehr dazu bei, den Wert der Stille, der Anstrengung und der Konzentration auf das Wesentliche wiederzuentdecken.      (5)

Das erste Zeichen der Hoffnung möge sich als Frieden für die Welt verwirklichen, die sich wieder einmal inmitten der Tragödie des Krieges befindet. Weil die Menschheit die Dramen der Vergangenheit vergisst, wird sie von einer neuen, schwierigen Prüfung heimgesucht, bei der
viele Völker von der Brutalität 
der Gewalt getroffen werden. Was steht diesen Völkern denn noch bevor, was sie nicht schon erlitten hätten? Wie ist es möglich, dass ihr verzweifelter Hilfeschrei die Verantwortlichen der Nationen nicht dazu bewegt, den allzu vielen regionalen Konflikten ein Ende zu setzen, wohl wissend um die Folgen, die sich weltweit aus ihnen ergeben könnten? Ist es ein zu großer Traum, dass die Waffen schweigen und aufhören, Zerstörung und Tod zu bringen?    (8)

Hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken, bedeutet auch eine begeisterte Lebenseinstellung zu haben, die es weiterzugeben gilt. Leider müssen wir mit Bedauern feststellen, dass es in vielen Situationen an einer solchen Sichtweise mangelt.… eigentlich müssen alle die Freude am Leben zurückgewinnen, denn der Mensch, der nach dem Bild Gottes und ihm ähnlich geschaffen ist (vgl. Gen 1,26), kann sich nicht damit begnügen, nur zu überleben oder sich irgendwie durchzuschlagen, sich an die Gegenwart anzupassen und sich allein mit materiellen Gütern zufriedenzugeben.    (9)

Ich schlage den Regierungen vor, im Heiligen Jahr Initiativen zu ergreifen, die Hoffnung zurückgeben; Formen der Amnestie oder des Straferlasses, um den Menschen zu helfen, das Vertrauen in sich selbst und in die Gesellschaft zurückzugewinnen; Wege der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft, denen eine konkrete Verpflichtung zur Einhaltung der Gesetze entsprechen möge. Diese Aufforderung ist sehr alt, sie kommt aus dem Wort Gottes und ruft in seiner ganzen weisheitlichen Bedeutung auch weiter zu Akten der Begnadigung und der Befreiung auf, welche einen Neubeginn ermöglichen: „Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig und ruft
Freiheit für alle Bewohner des Landes 
aus!“ (Lev 25,10).       (10)

Es darf nicht an umfassender Aufmerksamkeit für diejenigen fehlen, die unter besonders schwierigen Lebensbedingungen die eigene Schwäche erfahren, insbesondere, wenn sie an Krankheiten oder Behinderungen leiden, die ihre persönliche Autonomie stark einschränken. Für sie zu sorgen ist wie ein Lobgesang auf die Menschenwürde, ein Lied der Hoffnung, das das Zusammenspiel der gesamten Gesellschaft erfordert.      (11)

Zeichen der Hoffnung benötigen auch diejenigen, die selbst die Hoffnung versinnbildlichen: die jungen Menschen. Sie erleben leider oft, wie ihre Träume zerbrechen. Wir dürfen sie nicht enttäuschen, denn auf ihrer Begeisterung gründet die Zukunft. Es ist schön zu sehen, wie sie Energien freisetzen, beispielsweise wenn sie die Ärmel hochkrempeln und sich freiwillig in Katastrophensituationen  und sozialen Notlagen engagieren. Doch es ist traurig, junge Menschen ohne Hoffnung zu sehen.

Allerdings ist es unvermeidlich, dass man die Gegenwart mit Melancholie und Langeweile lebt, wenn die Zukunft ungewiss ist und kein Träumen erlaubt, wenn das Studium keine Perspektiven bietet und das Fehlen einer Arbeit oder einer ausreichend festen Beschäftigung die Wünsche zunichtezumachen droht.       (12)

Es darf nicht an Zeichen der Hoffnung für Migranten fehlen, die ihr Land auf der Suche nach einem besseren Leben für sich und ihre Familien verlassen. Ihre Erwartungen dürfen nicht durch Vorurteile und Abschottung zunichtegemacht werden. Ein Empfang mit weit geöffneten Armen, wie es der Würde eines jeden entspricht, muss mit Verantwortungsbewusstsein einhergehen, damit niemandem das Recht verwehrt wird, sich eine bessere Zukunft aufzubauen. Den vielen Exilanten, Flüchtlingen und Vertriebenen, die durch die internationalen Konflikte zur Flucht gezwungen sind, um Kriegen, Gewalt und Diskriminierung zu entgehen, mögen Sicherheit und ein Zugang zu Arbeitsplätzen und Bildung garantiert werden, was notwendig ist für ihre Eingliederung in das neue soziale Umfeld.    (13) 

Um Hoffnung bitte ich eindringlich für die Milliarden von Armen, denen oft das Lebensnotwendige fehlt. Angesichts immer neuer Wellen der Verarmung besteht die Gefahr der Gewöhnung und Resignation. Aber wir dürfen unseren Blick nicht von solch dramatischen Situationen abwenden, die inzwischen überall anzutreffen sind, nicht nur in bestimmten Gegenden der Welt. Wir begegnen jeden Tag armen oder verarmten Menschen, bisweilen können das gar unsere Nachbarn sein. Sie haben oft weder ein Zuhause noch ausreichend Nahrung für den Tag. Sie leiden unter der Ausgrenzung und der Gleichgültigkeit von vielen. Es ist ein Skandal, dass in einer Welt, die über enorme Ressourcen verfügt, von denen ein Großteil in Rüstungsgüter fließt, die Armen „der größte Teil des Planeten [sind], Milliarden von Menschen.    (15)

Ein altes Prophetenwort aufgreifend erinnert uns das Heilige Jahr daran, dass die Güter der Erde nicht für einige wenige Privilegierte, sondern für alle bestimmt sind. Es ist nötig, dass diejenigen, die Reichtümer besitzen, großzügig werden und das Gesicht ihrer Geschwister in Not wahrnehmen. Ich denke dabei insbesondere an diejenigen, denen es an Wasser und Nahrung fehlt: Der Hunger ist eine skandalöse Plage unserer Menschheit und lädt uns alle ein, unser Gewissen aufrütteln zu lassen. Ich erneuere meinen Appell: „Mit dem Geld, das für Waffen und andere Militärausgaben verwendet wird, richten wir einen Weltfonds ein, um dem Hunger ein für alle Mal ein Ende zu setzen und die Entwicklung der ärmsten Länder zu fördern, damit ihre Bewohner nicht zu gewaltsamen oder trügerischen Lösungen greifen oder ihre Länder verlassen müssen, um ein menschenwürdigeres Leben zu suchen.“       (16)

 „ (…) es gibt eine wirkliche ,ökologische Schuld‘ – besonders zwischen dem Norden und dem Süden – im Zusammenhang mit Ungleichgewichten im Handel und deren Konsequenzen im ökologischen Bereich wie auch mit dem im Laufe der Geschichte von einigen Ländern praktizierten unproportionierten Verbrauch der natürlichen Ressourcen.“  Wie die Heilige Schrift lehrt, gehört die Erde Gott und wir alle wohnen auf ihr als „Fremde und Beisassen“ (Lev 25,23). Wenn wir wirklich den Weg für den Frieden in der Welt ebnen wollen, sollten wir uns dafür einsetzen, die Grundursachen der Ungerechtigkeit zu beseitigen, ungerechte und nicht zurückzahlbare Schulden erlassen und die Hungernden sättigen.        (16)

Die Hoffnung bildet zusammen mit dem Glauben und der Liebe das Triptychon der „göttlichen Tugenden“, die das Wesen des christlichen Lebens zum Ausdruck bringen. Innerhalb deren unauflöslicher Dynamik ist die Hoffnung die Tugend, die sozusagen die Orientierung prägt, die die Richtung und das Ziel des Glaubenslebens anzeigt. Deshalb fordert uns der Apostel Paulus auf: „Freut euch in der Hoffnung, seid geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!“ (Röm 12,12). Ja, wir müssen „reich an Hoffnung“ sein (vgl. Röm 15,13), damit wir ein glaubwürdiges und attraktives Zeugnis für den Glauben und die Liebe ablegen, die wir in unseren Herzen tragen; damit der Glaube freudig und die Liebe leidenschaftlich ist; damit jeder in der Lage ist, auch nur ein Lächeln, eine Geste der Freundschaft, einen geschwisterlichen Blick, ein aufrichtiges Zuhören, einen kostenlosen Dienst zu schenken, in dem Wissen, dass dies im Geist Jesu für diejenigen, die es empfangen, zu einem fruchtbaren Samen der Hoffnung werden kann. (18)

Die sakramentale Vergebung ist nicht nur eine schöne geistliche Chance, sondern ein entscheidender, wesentlicher und unverzichtbarer Schritt für den Glaubensweg eines jeden Menschen. Dort erlauben wir dem Herrn, unsere Sünden zu vernichten, unsere Herzen zu erneuern, uns wieder aufzurichten und uns zu umarmen, und uns sein zärtliches und barmherziges Gesicht zu zeigen. Es gibt in der Tat keinen besseren Weg, Gott kennenzulernen, als sich von ihm versöhnen zu lassen (vgl. 2 Kor 5,20) und seine Vergebung zu erfahren.        (23)

Auf dem Weg zum Heiligen Jahr wenden wir uns wieder der Heiligen Schrift zu und hören diese Worte als an uns gerichtet: (…) In ihr haben wir einen sicheren und festen Anker der Seeleder hineinreicht in das Innere hinter dem Vorhang; dorthin ist Jesus für uns als Vorläufer hineingegangen“ (Hebr 6,18–20). Das ist eine starke Einladung, die Hoffnung, die uns geschenkt wurde, niemals zu verlieren, sondern an ihr festzuhalten, indem wir Zuflucht bei Gott finden. Das Bild des Ankers verweist auf die Stabilität und Sicherheit, die uns inmitten der unruhigen Gewässer des Lebens gegeben ist, wenn wir auf Jesus, den Herrn, vertrauen.         (25)

Das komplette Schreiben finden Sie hier.